GESCHICHTE




PANTHEATER

Kleine Geschichte des Pantheaters

Wir kamen aus Theatergruppen von Jugendzentren, aus den Stadt- und Staatstheatern von Tabori und Peymann, aus freien Theatern wie dem Theaterhof Prießenthal oder der New York Street Caravan und wir trafen uns in der Kampnagelfabrik in Hamburg, die abgerissen werden sollte.
Wir besetzten gemeinsam mit anderen Visionären das riesige Gelände mit den vielen großen Hallen, um dort zu spielen.

Dort sollte sich Theater selbst erfinden können ohne den Zwang zur Tradition und Konvention, unabhängig und selbstständig und basisdemokratisch organisiert.

Die Hallen waren die leeren Räume, die Peter Brook für das Theater forderte, und er liebte es dort zu arbeiten, so wie wir und die anderen freien Gruppen, wie auch das Schauspielhaus und die Staatsoper.
Und ein Publikum kam, um zu schauen. Das Gelände war verwildert, man ging weite Wege von einer Halle zur anderen. Das Theater war ein Abenteuer,
was gespielt wurde, war authentisch.

Wir nannten uns erst Werktheater Hamburg nach unserem Vorbild, dem Werktheater Amsterdam. Wir waren Deutsche, Türken, ein Brasilianer und ein Franzose. Dann kamen Schauspieler aus Schweden, aus Chile und aus Polen dazu und wir nannten uns Pantheater. Wir wollten ein Beispiel sein von "einer Welt" der Vielfalt, die klingt, forscht und spielt, in der jeder für sich und mit anderen arbeitet, kämpft und streitet, aber nicht zerstört.

Wir erfanden im Laufe von 10 Jahren 14 Theaterproduktionen, zeigten sie auf Kampnagel und auf Gastspielreisen. Wir wurden gelobt, geliebt und gefeiert, auch kritisiert und beschimpft.
Kampnagel wurde mit den anderen Gruppen und mit uns zu einem der bedeutendsten und größten Theaterzentren der Welt.
Aber die Politik reduzierte Kampnagel
nach und nach, riss ab,
baute Bürokomplexe,
zentralisierte die Strukturen,
glättete und passte an.
Wir verließen das Gelände.
Die Reisezeit begann,
die Zeit der Erkundungen.

Nun waren die Schauspieler nicht mehr aus aller Welt, aber die Produktionen erzählten aus aller Welt, in Kulturzentren, in Gemeindesälen und Schulen. Ein neues Produktionszentrum wurde aufgebaut, auf dem Land, auf einem alten Werftgelände bei Hamburg, Probebühne, Fundus, Ton- und Fotostudio. Da sind wir heute. Und in Zukunft? Weiter spielen, von kleinen und großen Dingen erzählen, von Politik und Poesie, von Recht und Unrecht,
vom Wasser und von der Sonne, von der ganzen Welt,

von der Welt in uns natürlich,
denn die ist die einzige,
die wir wirklich haben,
der Rest ist Spekulation.


Text: Michael Leye
Fotos: Andrés Krug Danto vom Bühnenbild "Der Meister und Margarita" von M. Bulgakow
Graffiti: David Leye